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3½ Fragen an Nina Kolleck im Chancen-Brief der Zeit

Für den aktuellen ZEIT-Chancen-Brief wurde Nina Kolleck interviewt:

http://germany-news02.blogspot.de/2017/07/umfrage-wer-sind-sie-aueruniversitare.html


News vom 01.10.2017

Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst kamen?
Wir achten zu wenig auf die Folgen bildungspolitischer Maßnahmen. Vieles klingt theoretisch gut, wird aber in seiner Wirkung nicht überprüft, um dann von einer weiteren Reform abgelöst zu werden. Die Rezipienten von Bildung (v.a. Vorschul- und Schulkinder und Studierende) stehen zu wenig im Mittelpunkt der Überlegungen. Reformen sollten nicht über die Köpfe der betroffenen Personen hinweg implementiert werden, weil sie akzeptiert und tatkräftig umgesetzt werden müssen. Dazu müssen sie von Lehrer-, Elternschaft, Verwaltung und Lernenden als sinnvoll erachtet werden.

Welches wissenschaftspolitische Problem lässt sich ohne Geld lösen?
Das Betreuungsverhältnis muss verbessert werden. Dies könnte kostenneutral durch die Reduzierung befristeter Haushaltsstellen erreicht werden. Das Lehrstuhlsystem ist noch zu stark an der alten Ordinarienuniversität orientiert und entspricht nicht mehr den Ansprüchen einer modernen Massenuniversität. Lehrstuhlinhaber besitzen viel Einfluss, den sie oft schlecht nutzen: Sie sind meist nicht geschult in der Führung von Personal, stellen oft ungeeignete Personen ein, verwalten große Mengen an finanziellen Mitteln und schaffen es dabei kaum noch, sich in der Hochschullehre zu engagieren. Das Problem wird sich in den kommenden Jahren verschärfen (steigende Anzahl an Abiturienten, Neuzuwanderung). Zu den Folgen zählen hohe Abbruchquoten, die wiederum eine finanzielle Belastung implizieren. Wir benötigen einen größeren Anteil an Professoren an deutschen Universitäten auf unbefristeten Dauerstellen.

Lektüre muss sein. Welche?
Konrad P. Liessmann: Geisterstunde: Die Praxis der Unbildung.

Und sonst so?
Wir müssen kinderfreundlicher werden, auch in Bildung und Wissenschaft. Wer dort arbeitet, bringt hervorragende Voraussetzungen mit, Bildung und Wissen an eigene Kinder weiterzugeben, indem sie vorgelebt werden und in ihrer Relevanz für die Lebenspraxis beständig überprüfbar sind. Von den dort Beschäftigten bekommen aber wenige Kinder. Scheinbar selbstverständlich ist die Dominanz der Karriereinteressen, zumal in befristeten Arbeitsverhältnissen. Absurd sind die scheinbar objektiven, in Wirklichkeit oft verdinglichten Karrierekriterien. An Arbeitsorten, an denen die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit durch flexible Arbeitszeiten am ehesten möglich ist, werden somit die wenigsten Kinder geboren.

 

(erschienen im CHANCEN-Brief der ZEIT am 13.07.2017)

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