Aus dem Bereich hochschuldidaktische Qualifizierung: Teaching Analysis Poll – Ein dialogisches Feedbackverfahren im Testlauf
09.12.2021
Teaching Analysis Poll (TAP) ist ein Verfahren der diskussionsbasierten Zwischenauswertung von Lehrveranstaltungen, das aktuell an der Freien Universität Berlin ergänzend zur regulären fragebogengestützten Lehrveranstaltungsevaluation erprobt wird. In Rahmen eines Pilotprojektes begleitet das Dahlem Center for Academic Teaching ab dem WiSe 2021/22 die Einführung dieses Verfahrens, das an einigen deutschen Hochschulen, wie z.B. an der Universität Bielefeld, bereits seit gut 10 Jahren eingesetzt wird.
Welche Ziele verfolgt das TAP?
Mit TAP wird das Ziel verfolgt, Lehrenden bereits zur Semestermitte konkrete qualitative Rückmeldungen zu ihrer Lehre zur Verfügung zu stellen, also zu einem früheren Zeitpunkt im Semester als die reguläre Lehrevaluation. Dieses Feedback kann dann im Sinne einer formativen Evaluation für die Verbesserung der Lehre im weiteren Verlauf des Semesters genutzt werden. Ein weiterer Unterschied zur standardisierten Lehrevaluation ist, dass das Feedback an die Lehrperson mit TAP nicht anonym erfolgt, sondern in einem begleiteten Dialog mit den Studierenden.
Mittel- und langfristig sollen durch diese dialogische Feedbackkultur die Lerngemeinschaft gestärkt werden und Impulse für die Lehrkompetenzentwicklung resultieren. Der Fokus von TAPs liegt jedoch nicht auf der Erfassung der Lehrkompetenz, wie durch den LeKo-Fragebogen erhoben, sondern zielt mit den Leitfragen in erster Linie auf den Lernprozess der Studierenden.
Wie läuft ein TAP ab?
Im Zentrum steht eine moderierte Gruppendiskussion mit den Studierenden einer bestimmten Lehrveranstaltung zur Semestermitte zu den folgenden drei Leitfragen:
- Wodurch lernen Sie in dieser Veranstaltung am meisten?
- Was erschwert Ihr Lernen?
- Welche Verbesserungsvorschläge haben Sie?
Zur Methodik gehört das Hinzuziehen einer neutralen, außenstehenden Person als Moderator:in des TAP. Ihre Aufgabe ist es, die Rückmeldungen der Studierenden auf Mehrheitsfähigkeit zu überprüfen, zusammenzufassen und anschließend zu dokumentieren und mit der Lehrperson gemeinsam auszuwerten. Bei Bedarf stehen die Moderator:innen auch für hochschuldidaktische Beratung zu der Frage, wie die Feedbackergebnisse für die weitere Gestaltung der Lehre genutzt werden können, zur Verfügung.
Die Moderator:innen sind erfahrene hochschuldidaktische Trainer:innen, die schon lange mit dem DCAT zusammenarbeiten. Sie werden von einer externen Expertin für TAP geschult und treffen sich untereinander regelmäßig zum Erfahrungsaustausch.
Ablauf eines Teaching Analysis Poll:
Damit Studierende sich eingeladen fühlen, ernsthaft über ihren Lernprozess nachzudenken und sich aktiv in die Qualitätsentwicklung der Lehrveranstaltung einzubringen, ist das Verhalten der Lehrperson entscheidend, wie zum Beispiel der rechtzeitige Hinweis auf die Durchführung des TAP, seine Gestaltung und den damit angestrebten Nutzen.
In den Austauschprozess bringen die drei beteiligten Akteursgruppen ihre jeweilige Expertise ein: Studierende die Expertise für ihr Lernen, Lehrende die Expertise für ihre (fachliche) Lehre und die Moderator:innen ihre Expertise für Hochschuldidaktik und Gesprächsführung.
Mit dem TAP wird von einer geteilten Verantwortung für das Gelingen von Lehrveranstaltungen ausgegangen: Lehrende bringen die Expertise für die Planung der Veranstaltung mit und übernehmen Verantwortung für die Begleitung und Unterstützung der Studierenden. Die Studierenden übernehmen aber auch selbst Verantwortung für ihren Lernprozess.
Im Auswertungsgespräch kann der/die Moderator:in neben der Erläuterung der Ergebnisse des TAP auch mögliche didaktische Anpassungen der Lehrveranstaltung im weiteren Semesterverlauf mit der Lehrperson besprechen. Diese sollen die Bedürfnisse der Studierenden wie der Lehrperson gleichermaßen adressieren. Die Moderator:innen können dabei als Sprachrohr für die Studierenden fungieren, sie nehmen aber grundsätzlich eine neutrale Rolle in diesem Prozess ein, d.h. sie übernehmen keine Anwaltschaft für die Lehrenden oder Studierenden.
Das Pilotprojekt wird von Dr. Julia Weitzel (Erziehungswissenschaftlerin, Hochschuldidaktikerin und von der Deutschen Gesellschaft für Coaching zertifizierte Coachin) begleitet und evaluiert. Von ihr stammt auch das Konzept für die Einführung von TAP an der Freien Universität Berlin.
Für welche Lehrveranstaltungen ist TAP geeignet?
Im Pilotprojekt an der Freien Universität Berlin ist zunächst eine Beschränkung auf Veranstaltungen mit maximal 40 Studierenden vorgesehen, aber auch für größere Lehrveranstaltungen, wie Vorlesungen, existieren erprobte TAP-Modelle. Durch seinen niedrigschwelligen Ansatz ist es sehr einfach auf unterschiedliche Lehr-Lern-Formate, Anliegen von Lehrenden und Besonderheiten in einzelnen Studiengängen anzupassen.
Wann und wie kann man sich für TAP anmelden?
Das Verfahren ist in der Präsenzlehre und in digitalen Lehrveranstaltungen durchführbar. Eine Anmeldung bei katja.reinecke@fu-berlin.de ist jederzeit bis zum 31.05.2022 für das Sommersemester 2022 möglich.
Weitere Informationen hierzu finden Sie auf unserer Homepage.
Literatur
Frank, A., Fröhlich, M. & Lahm, S. (2011). Zwischenauswertung im Semester: Lehrveranstaltungen gemeinsam verändern. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 6 (3), 310–318.
Franz-Özdemir, M., Reimann J. & Wessel, K. (2019): Teaching Analysis Poll (TAP) – Konzept und Umsetzung einer aktuellen Methode an der Schnittstelle von Evaluation und Lehrentwicklung. In: Berendt, B., Szczyrba, B., Fleischmann, A., Schaper, N. & Wildt, J. (Hrsg.). (fortlaufend). Neues Handbuch Hochschullehre. Berlin: DUZ Verlags- und Medienhaus GmbH. Griffmarke: I 1.17 (S. 37–64).
Weitzel, J./Timmann, A./Franz-Özdemir, M./Grunert, C./Reimann, J./Anna-Linda Sachse, A.-L./Salzmann, S./Weiß, P./ Wessel, K.: Dialogische Feedback- und Evaluationsverfahren für die Hochschulentwicklung. In: Blickpunkt Hochschuldidaktik. Bielefeld (erscheint 2022).