Bilderbuch des Monats Oktober
Adrian hat gar kein Pferd (Marcy Campbell und Corinna Luyken)
Das im Jahr 2020 mit dem Huckepackpreis ausgezeichnete Bilderbuch „Adrian hat gar kein Pferd“ (Campbell/Luyken 2019) thematisiert unter einer ressourcenorientierten Perspektive die Betroffenheit von Kinderarmut, ohne dieses Thema explizit im Bilderbuch zu benennen. Es spricht Möglichkeiten der Perspektivübernahme an, die im Hinblick auf literarisches und soziales Lernen fruchtbar erscheinen und thematisiert einige personal bedeutsame Inhalte: es besser zu wissen oder besser wissen zu wollen, andere wahrzunehmen und wahrgenommen zu werden, anders zu sein oder normal zu sein, Verständnis zu haben oder nicht haben zu wollen, jemanden verbal zu verletzen und verletzt zu werden, eine fremde Umgebung zu betreten, Fantasie zu haben. Darüber hinaus weist die aufwendige Gestaltung der Bilder in Verbindung mit den schlicht gehaltenen, jedoch pointiert formulierten Texten auf Potenziale für literarästhetisches und sprachliches Lernen hin.
Der rothaarige Protagonist Adrian lebt bei seinem Opa in einem kleinen Haus mit einem sehr kleinen Garten und wird bereits auf der ersten Doppelseite als abseits Sitzender dargestellt. Der Text deutet an, dass dies öfter so ist: „Adrian Simmer sitzt allein und träumt wahrscheinlich wieder.“ (ebd., S. 4) Die grafischen Zeichnungen auf den folgenden Seiten, mittels Aquarellfarben und Kreiden in strahlend hellem Gelb und kontrastiven Lila-Tönen koloriert, entwerfen eine farbenfrohe Umgebung des Stadtviertels, in dem Kinder unterschiedlicher sozialer Herkunft gemeinsam in der Schule lernen, auf dem Schulhof spielen und sich am Nachmittag besuchen könnten. So unsichtbar durch die Folgen von Armut betroffene Kinder in einem solchen Umfeld oft sind, so scheinbar trivial wird Adrians Geschichte durch die Perspektive seiner Klassenkameradin Zoe aufgedeckt. Zoe, die in der Schule neben Adrian sitzt, stört sich daran, dass er allen erzählt, dass er ein Pferd hat, obwohl er doch gar kein Geld hat, seine Schuhe Löcher haben und er sich nicht einmal um die Ordnung an seinem Platz kümmern kann. Als sie dies ihrer Mutter erzählt, bewegt diese Zoe zu einem Spaziergang, der in einer Begegnung mit Adrian und seinem Pferd endet.
Im Rahmen eines Werkstattseminars der Lern- und Forschungswerkstatt für Literarische Bildung schrieben Grundschulkinder zum Bilderbuch. Die Aufgabe lautete: Schreibe deine eigene Geschichte über Armut. Es soll um das gehen, was dir wichtig ist, so, wie du es dir vorstellst.