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Didaktisches Fach: Skulptur als Schreibanlass – Schreiben im Museum

Didaktisches Fach zu Dornröschen von Louis Sußmann-Hellborn (vor 1880) in der Alten Nationalgalerie

Didaktisches Fach zu Dornröschen von Louis Sußmann-Hellborn (vor 1880) in der Alten Nationalgalerie

Didaktisches Potenzial

Ein Mädchen in einem langen Kleid sitzt auf einem von Rosen umrankten Thron. Ihre Augen sind geschlossen, die Körperhaltung leicht zusammengesackt. Sie scheint zu schlafen. Vielleicht träumt sie. Die schreibende Auseinandersetzung mit der Skulptur könnte viele Aspekte in den Fokus setzen: Wer ist das Mädchen? Wovon träumt sie? Warum sitzt sie auf einem Thron? In welcher Umgebung steht der Thron? Was passiert, wenn das Mädchen aufwacht? … Wer das Märchen von Dornröschen kennt, kann beim Schreiben auch aus dem eigenen Geschichtenfundus schöpfen. Neben der inhaltlichen Deutungsoffenheit des Gegenstandes liegt auch im Medium der Skulptur als solche didaktisches Potenzial: Die Dreidimensionalität der Skulptur ermöglicht ein in Beziehung setzen des Selbst zum Objekt im Raum. Die Skulptur kann aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet werden. Sie lässt sich aus der Ferne, aus der Nähe und von allen Seiten erkunden. Dieses Räumlichkeitserleben kann Ausgangspunkt für eine ästhetische Erfahrung sein (Massek et al. 2021, 202).
Die Skulptur zeigt nur eine Momentaufnahme. Der Kontext, die Umgebung, was davor und was danach passiert, müssen die Rezipieren selbst erschließen. Wie beim Bild können „viele Dimensionen der Geschichte erst in der Vorstellung entfaltet werden“ (Schüler 2019, 151).
Die Skulptur kann die Vorstellung von (existentiellen) Erfahrungen erzeugen, z.B. davon, wie es ist, zu schlafen, zu träumen. Auch die Vorstellung einer Storyworld kann durch die Vorstellung des Dornröschens als handelnde und fühlende Figur entstehen. Schließlich ist auch die Vorstellung einer Ereignisfolge möglich, also die Vorstellung davon, dass die Skulptur eingebettet ist in ein Vorher und Nachher. Die Skulptur kann als „,Türöffner‘ in den Strom der Zeit einer Erzählung“ (ebd., 157) betrachtet werden. Daraus ergibt sich ein narratives Potenzial des Gegenstandes. (ebd., 153).

Mögliche Aufgabenstellungen

1. Betrachte die Skulptur aus der Nähe und aus der Ferne. Laufe um die Skulptur herum. Was siehst du? Was entdeckst du? Was nimmst du wahr?

2. Findet euch zu dritt zusammen und baut die Skulptur nach. Dabei sind zwei von euch das Material. Eine Person formt – wie ein Bildhauer – ihr Material.

3. Schreibe deine Geschichte zu der Skulptur. Es soll um das gehen, was du dir zur Figur vorstellst, was dir wichtig ist.

Erläuterung

Die ersten beiden Aufgaben sollen ein sich Einlassen auf die Skulptur und ein genaues Betrachten anregen, um den Raum für ästhetische Wahrnehmungsprozesse zu öffnen. Durch das Nachstellen der Skulptur soll eine Perspektivübernahme der Figur angeregt werden, indem sich die Kinder sowohl in die Körperhaltung schlüpfen als auch in die Innenwelt der Figur eindenken. In der dritten Aufgabe müssen die Kinder im Kontext der Skulptur den Inhalt sowie die sprachliche Gestaltung ihres Textes selbst entwickeln (Dehn et al. 2011, 104). Die Aufgabe ist in sich differenziert, da sie ermöglicht, dass die Schreibenden eine individuelle Form der Bearbeitung finden können, die unterschiedliche Niveaus zulässt. (ebd., 36) Dennoch arbeiten alle zum gleichen Gegenstand, sodass die Textproduktion in einen sozialen Kontext eingebunden ist, in dem sich ein Austausch zu den Texten für alle lohnt.

Literatur

Schüler, Lis (2019): Narrative Muster im Kontext von Wort und Bild. Eine empirische Studie zum schriftlichen Erzählen in der Grundschule. Stuttgart: J.B. Metzler.

Dehn, Mechthild/Merklinger, Daniela/Schüler, Lis (2011): Texte und Kontexte. Schreiben als kulturelle Tätigkeit in der Grundschule. Seelze: Klett/Kallmeyer.

Massel, Corinna/ Miller, Susanne/ Josting, Petra (2021): (Literar-)Ästhetisches Lernen und Kulturelle Bildung. Zentrale Begrifflichkeiten und ihre Relevanz für die Lehrer*innenbildung. In: HLZ 4 (1), 196-213.