Springe direkt zu Inhalt

Empirische Evaluationsstudie der Jungenbroschüre "Junge, Junge - starke Kerle" von der Pro Familia Jugendberatung Berlin (Hrsg.)

  • Mittelgeber: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
  • Laufzeit: 1. Dezember 1995 bis 28. Februar 1996
  • Projektleitung: Prof. Dr. Dieter Kleiber
  • Wissenschaftliche Mitarbeiter:
  • Dipl.-Psych. Sabine Meixner
    Institut für Prävention und psychosoziale Gesundheitsforschung
    Tel.: (030) 770091-20
    e-mail: smeixner@zedat.fu-berlin.de
  • Dr. phil. Klaus-Peter Dahle (Institut für Forensische Psychiatrie, FU Berlin)
    Institut für Forensische Psychiatrie, FU Berlin
    Limonenstr. 27, 14195 Berlin
    Tel.: (030) 8445-1417
    e-mail: dahle@zedat.fu-berlin.de

Projektbeschreibung:

1. Projektziel

Aufgabe des Projektes war eine wissenschaftlich fundierte Beurteilung der ersten Aufklärungsbroschüre im deutschsprachigen Raum, die sich ausschließlich an männliche Jugendliche wendet. Die Besonderheit der Broschüre ist es dabei, daß sie in knapper Form wesentliche Aspekte im Zusammenhang mit Sexualität (-sentwicklung) und Identitätsfindung von speziell männlichen Jugendlichen aufgreift und sich hierbei nicht auf spezifische Problemgruppen oder Problemthemen beschränkt, sondern für alle 14-18jährigen männlichen Jugendlichen ein nützlicher Ratgeber sein soll. Im Rahmen der Evaluationsstudie galt es daher zu klären, inwieweit die Broschüre die Zielgruppen tatsächlich anspricht und ihnen Unterstützung bietet, d.h. Aufschluß über Aspekte wie Themenauswahl, Verständlichkeit, Lesbarkeit, sexualwissenschaftliche Fundiertheit, Gestaltung sowie ihren Informations- und Anregungsgehalt zu erhalten.

Angesichts der vorläufigen Situation der sexualpädagogischen Jungenarbeit konnte sich die Untersuchung jedoch nicht im engeren Sinne auf die Broschüre beschränken, sondern es mußten darüber hinausgehende Fragen einerseits nach den grundsätzlichen Bedürfnissen der Zielgruppe und andererseits nach den professionellen Einschätzungen zu sinnvollen sexualpädagogischen Zweckbestimmungen von jungenspezifischen Aufklärungsmaterialien einbezogen werden.

2. Methodische Zugänge

Um die unmittelbaren Wirkungen der Broschüre bei ihrer Zielgruppe zu erkunden und überdies ein allgemeines Interessenprofil im Hinblick auf sexuelle und geschlechtsrollenspezifische Themen zu erheben, wurden insgesamt N = 352 männliche Jugendliche unterschiedlicher sozialer Herkunft und verschiedener Bildungsgruppen im Alter zwischen 11 und 18 Jahren (M = 14,6 Jahre) aus dem ehemaligen Ostteil Berlins (25%, n = 87) sowie aus West-Berlin bzw. den alten Bundesländern (75%, n = 265) mit einem standardisierten, eigens konstruierten Erhebungsinstrumentarium befragt. Darüber hinaus wurden N = 21 Experten aus Wissenschaft, Kirche und Praxis im Rahmen von halbstandardisierten Interviews befragt. Auch hierbei wurden grundsätzliche Einschätzungen des Bedarfs an einer jungenspezifischen Sexualpädagogik einbezogen.

3. Zusammenfassender Ergebnisüberblick und ausgewählte Befunde

Zusammenfassend ergab die Zielgruppenbefragung über unterschiedliche Alters-, Sozial- und Bildungsgruppen hinweg einen großen Bedarf nach spezifischen Informationsmaterialien für männliche Jugendliche. Die weitergehende Untersuchung der Interessenstrukturen der Jugendlichen zeigte dabei, daß bei allen befragten Teilgruppen Bedürfnisse nach einer Unterstützung bei einer grundsätzlichen Geschlechtsrollenfindung (Rollenorientierung) sowie nach einer Erweiterung von Handlungskompetenzen im Kontakt mit dem anderen Geschlecht (handlungsorientierte Interessen) bestehen. Das Interesse nach darüber hinausgehenden Hintergrundinformationen (funktionsorientierte Interessen) kovariierte hingegen erheblich mit dem Bildungsniveau und der sozialen Schicht, wobei Jungen aus höheren sozialen Schichten und Jungen mit höherem Bildungsniveau ausgeprägtere Interessen zeigten.

Die Reaktionen auf die Broschüre waren bei den Experten wie bei den Jugendlichen insgesamt sehr positiv. Es zeigte sich, daß es der Broschüre in bemerkenswerter Weise gelungen war, männliche Jugendliche unterschiedlichen Alters, unterschiedlichen Bildungsniveaus und unterschiedlicher sozialer Herkunft anzusprechen. Sie empfiehlt sich daher als niederschwelliges Informationsangebot mit guter Breitenwirkung. Dieses Ergebnis ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil vielfach eine zu starke Mittelstandsorientierung vorhandener sexualpädagogischer Medien beklagt wird.

Es ließen sich verschiedene Faktoren für die breite Resonanz identifizieren. Insbesondere sind zu nennen: (1) Form der Ansprache, die allen Jugendlichen gerecht wurde, (2) eine Text- und Illustrationsgestaltung, die vor allem auch den Bedürfnissen bildungsschwächerer und jüngerer Jugendlicher entgegen kommt und (3) der Verzicht darauf, bestimmte und vordefinierte sexualethische Wertmaßstäbe als Maxime einer idealen Sichtweise von Sexualität vermitteln zu wollen und sich statt dessen auf die Wahrung ethischer Minimalprinzipien zu beschränken.

Auf der Grundlage der Evaluationsergebnisse konnte eine Neuauflage der Broschüre empfohlen werden, die im Abschlußbericht zu detaillierten Empfehlungen ausgearbeitet wurden. Daher ist es besonders erfreulich, daß derzeit an der Umsetzung der Evaluationsergebnisse in Form einer Neuauflage der Broschüre gearbeitet wird.

 

weitere Projekte des Arbeitsbereichs Prävention und psychosoziale Gesundheitsforschung »

top ↑