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Nationale Schulleitungsstudie: Nachhaltigkeit als Whole School Approach stark gewünscht – mehr strukturelles Handeln und Verbindung mit Qualitätsentwicklung gefragt

Grad der Integration von Nachhaltigkeit an Schulen in Deutschland aus Perspektive der Leitungen (Ist-Stand, Wunsch)

Grad der Integration von Nachhaltigkeit an Schulen in Deutschland aus Perspektive der Leitungen (Ist-Stand, Wunsch)

80% der Schulleitungen in Deutschland wünschen sich, dass Nachhaltigkeit zu einem Kern von Unterricht und Schulentwicklung wird. Doch die nationale Schulleitungsstudie des BNE-Monitorings zeigt auch: Bisher wird Nachhaltigkeit oft in Einzelaktionen angegangen und Verantwortung individualisiert. Auf Basis bundesweiter Befragungen diskutiert die Studie die Bedeutung einer kollektiveren, strukturorientierteren und politischeren BNE als Kernbaustein hochwertiger Schulbildung.

News vom 17.06.2025

Schulleitungen sind zentrale Akteure, wenn es darum geht, Nachhaltigkeit im Schulalltag und in der Schulentwicklung zu leben. Eine neue bundesweite Studie des nationalen BNE-Monitorings hat sich nun systematisch mit den Perspektiven von Schulleitungen auf einen ‚Whole School Approach‘ an Schulen und im Schulsystem befasst. Nachhaltigkeit wird dabei als Kernaufgabe der Schule unter anderem in Unterricht, Betrieb, demokratischer Schulentwicklung, Kooperation und Kommunikation verstanden. Der Whole School Approach wird von der Kultus­ministerkonferenz allen Schulen empfohlen und zeigt sich in Studien als besonders wirksame Form von BNE.

Die nun im Journal of Cleaner Production erschienene Studie von Jorrit Holst, Antje Brock, Julius Grund, Ann-Kathrin Schlieszus und Mandy Singer-Brodowski vom Institut Futur der Freien Universität Berlin basiert auf bundesweit repräsentativen Daten: So wurden in Zusammenarbeit mit Forsa zunächst 80 Interviews mit Schulleitungen aus allen Bundesländern und Schulformen geführt. Die Erkenntnisse flossen in eine repräsentative Befragung von 1310 Schulleitungen ein, die in Kooperation mit dem Verband Bildung und Erziehung (VBE) umgesetzt wurde.

Nachhaltigkeit im Schulalltag ist stark gewünscht, aber die Praxis hält nicht mit

Die Erhebung zeigt: 80 % der Schulleitungen in Deutschland wünschen sich, dass Nachhaltigkeit im Unterricht der meisten oder aller Fächer adressiert und zu einem Kernbaustein der Schulentwicklung wird. Doch die aktuelle Praxis an den Schulen sieht anders aus: 62% der Leitungen geben an, Nachhaltigkeit sei bisher kein, kaum, oder nur gelegentlich Thema. Diese Diskrepanz spiegelt sich auch in den Interviews: Während die Schulleitungen als Zukunftsvision häufig eine Schule beschrieben, in der Nachhaltigkeit zur Selbstverständlichkeit geworden ist, dominieren im Alltag oft andere Themen und Herausforderungen. Dies ist der Fall, obwohl sich nicht nur Schulleitungen, sondern auch Schüler:innen und Lehrkräfte einen viel stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit in Schule wünschen, so zeigen es weitere Studien des BNE-Monitorings.

Wiederkehrende Muster: Viele Einzelaktionen, starke Individualisierung, fehlende Ressourcen

Neben dem aktuellen Stand und Zukunftsvisionen wurden im Zuge der Studie auch Herausforderungen und mögliche Treiber analysiert. Dabei zeigten sich wiederkehrende Muster: So findet sich Nachhaltigkeit an Schulen bisher häufig in vereinzelten Aktionen und Projekten und hängt in der Umsetzung oft an einzelnen Engagierten. Auch wird die Verantwortung zur Lösung der Nachhaltigkeitskrisen stark individualisiert. Anstatt in der Schule systemische und strukturelle Probleme zu diskutieren (Energie- und Mobilitätswende, Ernährungssystem, Infrastruktur) und auf dieser Ebene nach gesellschaftlichen Lösungen zu suchen, fokussieren viele Nachhaltigkeitsaktivitäten auf kleinere Änderungen im individuellen Verhalten – das Lichtausschalten im Klassenzimmer ist hier ein häufiges Beispiel. Zudem beschreiben die Leitungen einen eklatanten Mangel an zeitlichen, finanziellen und personellen Ressourcen, um Nachhaltigkeit den eigentlich gewünschten Raum geben zu können, und konstatieren, dass BNE und Nachhaltigkeit im Schulsystem bisher eher eine Zusatzaufgabe ist, die nicht zuletzt auch wegen hohem Leistungs- und Notendruck und anderen dringlichen Aufgaben zu wenig priorisiert wird. Mehr Engagement für Nachhaltigkeit wünschen sich die Schulleitungen nicht nur selbst an ihren eigenen Schulen, sondern auch von den Schulträgern und der Bildungspolitik.

Bedarf an struktureller, gemeinschaftlicher und politischer BNE als Kernaufgabe von Schulbildung

Mit Blick auf die Diskrepanz zwischen dem Wunsch von Schulleitungen, Lehrkräften und Schüler:innen einerseits und der Realität andererseits, werden in der Studie Entwicklungspfade für Nachhaltigkeit und BNE im Schulsystem abgeleitet. Da Klimakrise, soziale Ungleichheit und andere Nachhaltigkeitsprobleme hochgradig struktureller und systemischer Art sind, wird in der Studie die Bedeutung von kollektivem und strukturorientiertem Handeln sowie der Stärkung demokratischer Partizipationsfähigkeit hervorgehoben. Dieses könne in Schulen erlebt und gelernt werden, wenn im Sinne des Whole School Approachs demokratische Lernräume und Kontexte für das Erfahren und Experimentieren mit Nachhaltigkeit entwickelt werden. Dabei sei für eine kohärente Nachhaltigkeitsbildung auf Ebene des Schulsystems wichtig, Nachhaltigkeit mit den Handlungsfeldern der Schulqualitätsentwicklung zu verbinden und mit entsprechenden Mitteln zu untersetzen. Nachhaltigkeit auf diese Weise zu einem Standard werden zu lassen sei, so das Autorenteam des Institut Futur, eine auch von den Schulleitungen gewünschte Kernaufgabe hochwertiger Bildung im 21. Jahrhundert.

Quelle zur Studie: Holst, J., Brock, A., Grund, J., Schlieszus, A.-K., & Singer-Brodowski, M. (2025). Whole-school sustainability at the core of quality education: Wished-for by principals but requiring collective and structural action. Journal of Cleaner Production. https://doi.org/10.1016/j.jclepro.2025.145897.

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Schlagwörter

  • Bildung
  • Nachhaltigkeit
  • Schulentwicklung
  • Schulleitungen
  • Whole School Approach
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